Madeira ein Outdoorparadies?
Madeira ein Outdoorparadies?
Eine Insel versucht den Imagewandel
Insel des ewigen Frühlings, Blumenparadies, schwimmender Garten im Atlantischen Ozean: Madeira schmückt sich mit vielen verheißungsvollen Namen und zählt fast jährlich eine Millionen Touristen, viele davon zählen schon zu den älteren Semestern. Nicht ganz zu Unrecht hat die Insel daher den Ruf eines Rentnerparadieses.
Dieses Image scheint den Tourismusverantwortlichen vor Ort nicht mehr zu gefallen. Sie bemühen sich seit Jahren um einen Imagewandel: Seniorendestination und Kaffeefahrten waren gestern. Die Zukunft Madeiras soll den Aktivurlaubern gehören – denn Outdoor ist in! Die Werbetrommel wird kräftig gerührt und einiges in Gang gebracht um der neuen Imagestrategie auch ein Gesicht zu geben. Neben den bereits bekannten Wanderwegen, entwickeln sich nun Infrastruktur und Dienstleistungen rund um Mountainbiking, Tauchen, Segeln, Surfen, Canyoning, Stand Up Paddling und Gleitschirmfliegen. Reichlich fließende EU-Gelder machen es möglich.






Zugegeben, wir hatten Madeira bislang nicht als Wunschziel auf unserer Urlaubsliste. Die portugiesische Insel lag für uns in einer touristischen Tabuzone, welche wenn überhaupt frühestens im Alter von 60 Jahren betreten werden darf. Abgesehen von ein paar ziellosen Schiffskreuzfahrern, die wie man weiß sehr wenig von Land und Leute zu erzählen haben, kannten wir niemanden, der uns von seinen Eindrücken berichten konnte. Alles was wir bisher mit der Insel in Verbindung brachten waren Blumen, Rentner, kaum Sandstrände und Cristiano Ronaldo.
Keine Frage, auch wir hatten ein falsches Bild von der Perle des Atlantischen Ozeans. Bis wir einen Artikel in einem bekannten Outdoor Magazin lasen. Darin wurde Madeira unter die zehn Top-Inseln für Aktivurlauber gewählt. Das Urlaubsziel belegte im Ranking den dritten Platz nach Neuseeland und La Réunion. Erst letztes Jahr reisten wir um die halbe Welt nach La Réunion im Indischen Ozean, um unseren Durst nach Abenteuer zu stillen.
Und jetzt soll eine Blumeninsel aus dem Dornröschenschlaf erwacht sein und sich zur Top-Insel in Europa für Aktivurlauber gemausert haben? Das blumige Rentnerdomizil plötzlich jung, sportlich, dynamisch! Wir waren überrascht. Impressionen von Madeira erinnerten uns zudem an die subtropische Vulkanlandschaft von La Réunion. Die Sehnsüchte waren geweckt. Wir witterten Abenteuer und konnten am Ende Madeiras Reizen einfach nicht widerstehen.
Ein Flug war schnell gebucht. Wissenswertes zu Insel, Land und Leute, Wanderungen, Touren mit dem Mountainbike und Klettermöglichkeiten rasch recherchiert. Outdoor-Ausrüstung und Kameraequipment nach Packliste zusammengestellt und abgewogen. Als Ausgangpunkt für unsere Tagestouren wählten wir Funchal. Die Inselhauptstadt bietet das größte Angebot an modernen Hotels mit Fitnessstudio und Restaurants.
Ein weiterer Vorteil: Funchal liegt an der niederschlagsärmeren Südostküste. Das Wetter ist dort beständiger und somit touristenfreundlicher als in anderen Regionen. Für die gesamte Dauer des Urlaubs leisteten wir uns ein Mietauto um möglichst unabhängig jede Ecke der Insel anfahren zu können. Wir waren vorbereitet und startklar. Das Outdoorabenteuer konnte beginnen.
Die ersten Wanderungen führten uns entlang der legendären Levadas, Madeiras berühmten Wasserkanälen. Wenn man den Reiseführern glaubt, kommen viele nur auf die Insel wegen der grenzenlosen Möglichkeiten, an diesen alten Wasserwegen zu wandern. Wir wollten den Massen entfliehen und wählten weniger überlaufene Touren mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad laut Wanderführer.
Doch das versprochene immergrüne Wanderparadies entpuppte sich als langweilige Einöde für uns – wir hatten mehr erwartet. Wenig begeistert und kaum sportlich gefordert hakten wir das Thema Levada-Wanderung schon bald ab. Gefühlt waren wir auf der Insel immer noch nicht angekommen. Mountainbiking sollte nun den erhofften Wendepunkt bringen.
Von vornherein war klar: Wir wollen keine geführte Biketour sondern die Insel auf eigene Faust erkunden. Hierzu haben wir bereits zu Hause einige Routen aus dem Internet herunter geladen, denn offizielle Tourenempfehlungen oder Bikeführer gab es bis dato nicht.
Die vollgefederten Mountainbikes mieteten wir in einem Fachgeschäft mit dem Namen Freeride Madeira. Nach einem kurzen Materialcheck stellten wir fest: Wir benötigen Klickpedale. Schließlich haben wir extra unsere Radschuhe mit auf die Insel genommen. Auch auf Madeira ist der Kunde ein König, vor allem wenn es sich um die noch seltene Tourismusspezies Aktivurlauber handelt. Und so wurde eifrig ans Werk gegangen, um unseren Wunsch zu erfüllen.
So weit so gut. Der Bikevermieter montierte in unserer Anwesenheit die Pedale an beide Räder – doch er benötigte dazu nicht die üblichen wenigen Handgriffe sondern schraubte fast eine Stunde. Die Aktion wurde letztendlich nur deshalb von Erfolg gekrönt, weil wir selbst Hand anlegten und dem Monteur ohne Fachkenntnis nach mehreren Fehlversuchen zeigten, in welcher Drehrichtung Pedale ab- und wieder anzuschrauben sind. Hier fehlt es dann doch noch etwas an Übung und Routine.
Zweite Überraschung: Der Vermieter konnte oder wollte uns keine empfehlenswerten Mountainbikestrecken benennen. Stattdessen gab er uns den Rat einen seiner Guides zu buchen. Alles klar – mit uns nicht! Spätestens jetzt hätten in uns die ersten Zweifel aufkommen müssen, ob es bei dem Outdoor-Insel-Ranking mit rechten Dingen zugegangen war.
Wir packten die Räder in unseren Kombi und machten uns auf den Weg zum Startpunkt unserer ersten Tour. Die Auswahl geeigneter Tracks hält sich in Grenzen, denn die Insel ist vulkanischen Ursprungs und daher geprägt durch extrem steiles, unwegsames Gelände. Steigungen von 20 bis 25 % sind keine Seltenheit. Fahrbare und zugleich interessante Trails abseits der vielbefahrenen, kurvenreichen Straßen gibt es nur wenige und sind für Nicht-Ortskundige nur schwer zu finden.
Und so verirrten wir uns auch prompt dank fehlender Beschilderung und aussetzendem GPS-Signal in den berühmten dichten Lorbeerwäldern Madeiras. Knapp eine Stunde suchten wir im unwegsamen Unterholz nach dem Weg und beendeten enttäuscht und mit zerkratzten Beinen die Tour. Fazit zur Strecke: Landschaft verdient 2 von 5 Punkten. Fahrtechnik kommt kaum zum Einsatz: 1 von 5 Punkten. Der Fahrspaß hält sich in Grenzen: 1 von 5 Punkten. Physische Kondition wird wenig abgerufen, daher 2 von 5 Punkten. Doch für die erforderliche Nervenstärke gibt es 5 von 5 Punkten, davon ist nämlich jede Menge nötig.





Wir gaben uns immer noch nicht geschlagen. Irgendwo musste doch das versprochene Outdoorparadies sein. Die Insel sollte ihre letzte Chance bekommen. Da alle bisherigen „Geheimtipps“ die Erwartungen nicht erfüllen konnten, entschieden wir uns zu guter Letzt für eines der Highlights, für einen Klassiker: Eine Gipfelwanderung im Hochgebirge Madeiras, vom Pico do Areeiro zum 1862 m hohen Pico do Ruivo.
Im Reiseführer heißt es dramatisch: „Zwischen Himmel und Erde… Gebannt schaut man in die Höhe und atemlos in die unendliche Tiefe. Allzu oft hängen Wanderer an den Drahtseilen fest und hangeln sich in kleinsten Schritten wieder zurück… Nur wer schwindelfrei und gut trainiert ist, sollte sich auf den Weg begeben…“. Das ist doch endlich mal eine tolle Aussicht!
Wir gingen also auf der berühmt-berüchtigten Gipfelautobahn über tausende in den Fels geschlagener Stufen zum höchsten Berg der Insel und wieder zurück. Alleine waren wir dabei nicht, aber das war zu erwarten: Wer ein Highlight besucht muss Abstriche bei der Entdeckung der Einsamkeit machen. Und tatsächlich: Diese Tour hat uns ein wenig mit der Insel versöhnt. Das schöne Wetter, die atemberaubende Aussicht und die faszinierende Landschaft machten die Wanderung zu einem Erlebnis und bescherte uns nebenbei den ersten, wenn auch kleinen Muskelkater im Gesäß. Wir waren besänftigt.
An den restlichen Urlaubstagen verzichteten wir jedoch auf Experimente. Wir begnügten uns mit den Sehenswürdigkeiten, Attraktionen und den landschaftlichen Schönheiten Madeiras, für die die Insel seit Jahrzehnten bekannt ist und geliebt wird. Das verheißungsvoll angepriesene Paradies für Outdoorer haben wir zwar nicht gefunden. Aber eine immergrüne Spielwiese mit subtropischen Flair, welche großes Potential besitzt zu einem attraktiven Ganzjahresziel für anspruchsvolle Aktivurlauber zu werden. Die ersten Schritte sind gemacht.





Hallo ihr zwei Outdoor-Junkies,
Toller Bericht und gigantische Fotos. Vielen Dank dafür!
Macht weiter so und bin gespannt auf noch viele weitere spannende Reiseberichte. Gerade jetzt im düsteren Winter macht das richtig Laune auf Aufbruch!
Liebe Grüße Susanne
Servus Susanne,
vielen Dank für dein Feedback. Wir freuen uns, dass dir unsere Fotoreportage gefällt.
Viele Grüße
Rainer